Die eigene Familiengeschichte aufarbeiten
Sachlich, nüchtern, beschreibend, so stellt sich der Stil dar, in dem Sigrid
Rausing der selbstzerstörerischen Seite ihrer eigenen Familiengeschichte
nachgeht. Die keineswegs jene voyeuristischen Impulse bedient, die nicht selten
entstehen, wenn gut- und hochgestellte Persönlichkeiten, VIPs, abstürzen. Was
ja nicht unbedingt selten vorkommt. Hier aber geht es nicht um einen
Außenblick, ein "Entsetzen über" oder ein "Weiden an" dem
Unglück reicher Menschen, sondern um eine Struktur, eine Krankheit, einen
Vorgang, der jeden betreffen und treffen kann. Der nicht im Übermaß, aber doch
in merklicher Zahl als "Suchtproblematik" in allen Schichten und an
allen Orten der Gesellschaft anzutreffen ist.
Die Enkelin des "Tetra-Pack" Erfinders und Gründers, die Tochter der
beiden Söhne des "Seniors", welche die Firma aus Schweden und aus den
kleinen Anfängen in die globale Wirtschaft überführten und damit schwerreich
wurden. Ein Leben mit garantiertem "Platz an der Sonne", so stellte es
sich für Sigrid und ihren Bruder Hans Zeit ihrer Kindheit und Jugend dar. Dass
dann Hans seine spätere Frau Eva in einer Entzugsklinik kennenlernte, wie der
(erste) Entzug gelang, alles in Butter schien, geheiratet wurde und Kinder
hinzutraten, wie auch Sigrid selbst eine ganz eigene Karriere absolvierte.
Bis Sigrid sich "zur Seite stellte". Ihrer Familie, vor allem ihrem
Bruder und seiner Frau, denn die Drogensucht kehrt zurück, mitten hinein in das
vermeintliche Familienidyll und zieht die gesamte Familie sorgend hinzu. Ein
hin- und herschwanken zwischen entschlossenem Angang und Leugnung, zwischen
Spaltungen in den Haltungen der Familie und eine klare Beschreibung dessen, was
Sigrids Rausing tat und in was sie den Schlüssel nicht nur einer bestmöglichen
Hilfe, sondern auch einer eigenen Suchtprävention sieht: "Anderen
helfen". "Sich zur Verfügung stellen". "Verantwortung
übernehmen" und damit einem gewissen Teil innerer Disposition, in dem eine
gewisse "Leere" drängt, "Füllung" zu geben.
"Das Risiko von Opioidmissbrauch kann mit Faktoren in Zusammenhang gebracht
werden, die das Individuum, die Gruppe uind das soziale Umfeld betreffen, doch
innerhalb dieser Domänen spielen genetische Faktoren eine besondere
Rolle".
Dies zu erkennen führt dazu, den Betroffenen nicht mehr mit "guten
Ratschlägen", positiven oder negativen Bewertungen oder
"Durchhalteparolen" zu überschütten, sondern sachlich die Sucht als
"Krankheit" zu betrachten, damit eine erhöhte Toleranz aufzubringen
und, vor allem, die sachlichen Wege der Medizinischen und psychologischen
Begleitung nüchtern zu prüfen und, bei allen Rückschlägen, konsequent darauf
zu bestehen.
Fazit
Schonungslos ehrlich und nicht unbedingt auf Happy-End getrimmt (denn vieles an
familiären Bindungen zerstört im Lauf der Ereignisse) gelingt es Rausing,
ruhig und sachlich ihre Empfindungen und die dramatischen Ereignisse dem Leser
gegenüber verständlich darzustellen. Wobei die Lektüre ob des hier und da
langatmigen Sprachstils nicht immer flüssig vonstattengeht.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 08. Mai 2018 2018-05-08 10:14:20