Mit "All deine Zeilen" hat
Sofie Cramer einen bewegenden Roman ohne Kitsch und Pathos geschrieben. Im Gespräch mit Buchtips verriet uns die Autorin, wie der Roman entstanden ist, warum Sie Schreibkurs gibt und wie ein perfekter Sonntag für sie aussieht.
Michael Krause: Frau Cramer, wie ist die Idee zu "All deine Zeilen" entstanden?
Sofie Cramer: Zum einen hatte ich das Bedürfnis, mal eine Geschichte über die besondere Verbindung zwischen Enkelin und Großmutter zu schreiben. Zum anderen lag somit die Idee eines Briefwechsels nahe, weil es der Lebenswirklichkeit von Oma Anneliese entspricht und ich das Thema Kommunikation in all seinen Formen gerne als Stilmittel in meinen Romanen nutze.
MK: Wie stark sind Ihnen Marie, Paul und Anneliese ans Herz gewachsen?
SC: Wie bei all meinen Romanhelden fiel es mir auch am Ende von ALL DEINE ZEILEN sehr schwer, die lieb gewonnenen Charaktere loszulassen und in die Welt zu schicken. Sie sind ja immer auch ein Teil des Autors und man verbringt so viele Stunden mit ihnen in ihrer Gefühlswelt. Ich glaube, wenn ich keine emotionale Bindung zu meinen Figuren hätte, wäre es für die Leser kaum möglich, sich mit ihnen zu identifizieren oder mit ihnen zu fühlen.
MK: Woher stammen Annelieses Rezepte?
SC: Ich muss gestehen, dass mir mehr das Kochen mehr liegt als das Backen. Denn nach meiner Erfahrung muss man sich dabei strenger an Rezepte halten und kann nicht so einfach improvisieren oder nachbessern wie mein Kochen. Also habe ich meine Mutter und meine Tante um Hilfe gebeten. Sie haben die Rezepte entweder gesammelt, neu zusammengestellt oder erfunden – mindestens aber höchst persönlich ausprobiert und für gut befunden.
MK: Wie entstehen Ihre Romane? Planen Sie die Plots sehr genau im Vorfeld?
SC: Eine gute Idee oder einen originellen Aufhänger sowie eine tragende Rahmenhandlung braucht es schon, um den Verlag von einer Geschichte zu überzeugen. Meist entstehen die so genannten Exposés in Abstimmung mit meiner Lektorin oder auch dem Programmleiter. Ich mag dieses Stadium eines Projektes sehr, weil ich Eingebungen vertiefen und Stoffen auf den Grund gehen kann. Ebenso spannend ist aber der Schreibprozess, bei dem sich immer wieder zeigt, welche Dynamik die Figuren selbst entwickeln. Ich weiß zwar zu Beginn immer, wo meine Protagonisten ankommen werden, aber der Weg dorthin ergibt sich meist spontan und manchmal auch fast wie von allein.
MK: Neben Ihrer Autorentätigkeit bieten Sie auch Schreibkurse an und arbeiten als Lektorin. Wie ist es dazu gekommen?
SC: Von Teilnehmern meiner Schreibkurse oder Lesern wurde ich oft gefragt, ob ich ihnen Tipps geben oder ihre Texte redigieren könnte. Seitdem sich solche Anfragen weiter häuften und ich gemerkt habe, wie viel Freude es mir bereitet, Manuskripte zu überarbeiten oder zu begutachten, biete ich das sozusagen auch professionell an. Jeder Autor gibt dabei ja immer auch einen Teil von sich selbst preis. Für dieses Vertrauen bin ich sehr dankbar. Außerdem ist es immer eine große Freude, andere bei der Realisierung ihres Herzensprojektes zu begleiten, was in Ausnahmen sogar schon zur Veröffentlichung geführt hat.
MK: Wie sieht ein täglicher Arbeitstag von Ihnen aus?
SC: Wie andere Bürojobs vielleicht auch. In der Woche gehe ich morgens in meinem Homeoffice oder in meiner Bürogemeinschaft an den Schreibtisch und lege los. Je nach Abgabetermin schaffe ich dann mehr oder weniger. Ich brauche den Druck, um effektiv arbeiten zu können. Die besten Ideen kommen aber meist beim Aufwachen, in diesem seligen Zustand zwischen Traum und Realität. Ich liebe es, wenn ich den Start in den Tag an den Wochenenden etwas ausdehnen und die Inspirationen – auch für neue Projekte – fließen lassen und in die Tasten hauen kann.
MK: Hatten Sie schon einmal eine Schreibblockade?
SC: Manchmal schleiche ich sprichwörtlich tagelang um ein Kapitel herum, ehe ich endlich eine Eingebung habe, wie sich etwas auflösen lässt. Nur diesen Eingebungen muss man eben auch Raum und Ruhe gönnen, was im Alltag nicht immer ganz einfach ist. Aber so ist es ja auch mit anderen kreativen Tätigkeiten. Wenn man entspannt ist, kann es fließen, ist man gestresst, ist auch der kreative Prozess blockiert. Ich glaube, das ist eine der größten Herausforderungen von heute – sich Auszeiten und Freiräume zu schaffen, um sich entfalten oder auch dem so genannten flow hingeben zu können.
MK: Können Sie sich noch an Ihre erste selbstverfasste Geschichte erinnern? Was ist aus ihr geworden?
SC: Seltsamer Weise gehöre ich nicht zu denen, die schon seit Grundschulzeiten Geschichten in den Schubladen horten. Alles, was ich als Teenager hatte, war so eine Art innere Hoffnung oder auch Gewissheit, eines Tages vom Schreiben leben zu können – einfach, weil mir das (vermeintlich romantische) Bild eines Schriftstellers so gut gefiel. Meine erste Veröffentlichung habe ich im Studium geschafft – ein Portrait in einer kleinen Anthologie über niedersächsische Literaturgeschichte.
MK: Wann haben Sie den Entschluss gefasst, es beruflich als Autorin zu versuchen?
SC: Obwohl ich seit Teenagerzeiten Schriftstellerin als Traumberuf auserkoren hatte, habe ich mich nach dem Abi für ein Germanistik- und Politikstudium entschieden, um anschließend ein Volontariat zu machen und als Journalistin zu arbeiten. Ich dachte, das sei vernünftig und die einzige Chance, vom Schreiben leben zu können. Nach ein paar Jahren als Redakteurin habe ich mich dann allerdings freiwillig in die Freiberuflichkeit begeben, um endlich meinen ersten Roman zu schreiben. Mein Herzenswunsch war so groß, dass ich auf Anhieb bei Rowohlt unter Vertrag genommen wurde.
MK: Mit dem Autor Sven Ulrich arbeiten Sie auch im Duett. Was unterscheidet das gemeinsame Schreiben im Gegensatz wenn Sie allein an einem Roman arbeiten?
SC: Für mich hat das Arbeiten im Team mehr Vor- als Nachteile. Als Autor ist man ja per se zur Einsamkeit gezwungen und da ist es für mich eine willkommene Abwechslung, mich eng mit einem inspirierenden wie unterhaltsamen Kollegen wie Sven Ulrich auszutauschen und an einem Stoff im besten Sinne festzubeißen. Zudem geht es beim gemeinsamen Schreiben etwas disziplinierter zu, weil man den anderen nicht warten lassen darf. Dadurch hat so ein Projekt eine ganz eigene Dynamik, vor allem, wenn es immer hin und her geht.
MK: Welches Genre bevorzugt die Leserin Sofie Cramer?
SC: Da muss ich mich glücklicherweise ja nicht festlegen. Und tatsächlich findet sich auf meinem Nachttisch eine sehr bunte Mischung aus leichter Unterhaltung tiefgründiger Literatur bis hin zu jeder Menge Sachbücher über Psychologie und Spiritualität.
MK: Würde es Sie reizen, als Autorin einen Ausflug in ein anderes Genre vorzunehmen?
SC: Am liebsten schreibe ich Bücher, die ich selbst gern lesen würde. Insofern scheidet Fantasy, ein Krimi oder auch ein historischer Schinken aus. Aktuell beschäftigen mich sehr Themen wie Selbstliebe, die innere Stimme, was sich bald auch in meinen Roman wiederfinden wird. Dazu ist bereits auch ein Sachbuch in Arbeit und ein Kinderbuch steht in den Startlöchern.
MK: Wie sieht ein perfekter Sonntag für Sie aus?
SC: Sofern meine Familie noch schläft, schleiche ich mich früh morgens mit meinem Laptop und einem großen Pott Kaffee aufs Sofa und arbeite frisch inspiriert an meinen unterschiedlichen Projekten. Sobald alle wach sind, folgt ein ausgedehntes Frühstück im Garten, mit viel Zeit und dicker Zeitung. Am Nachmittag sollte ein Familienausflug auf dem Programm stehen, der abends mit einem Koch- oder Grillevent abgeschlossen und einem Glas Wein und bereicherndem Buch- oder Fernsehkonsum abgerundet wird. Nichts besonders Originelles also, aber trotzdem oder gerade deswegen schlicht und schön...
MK: Gab es schon Überlegungen einen Ihrer Romane zu verfilmen?
SC: Die gab und gibt es tatsächlich. Sogar große Namen bei Regie und Besetzung fallen des Öfteren. Zu SMS FÜR DICH gibt es bereits seit Längerem eine tolle Drehfassung fürs Kino. Auch ein neues Projekt, das parallel als Roman und Film rauskommen soll, ist in Vorbereitung. Im Filmgeschäft geht es allerdings mitunter recht sprunghaft zu, sodass ich erst Konkretes verraten mag, wenn es wirklich so weit ist.
MK: Ein paar Worte zum nächsten Projekt...
SC: Soeben habe ich mein zweites Gemeinschaftswerk mit Sven Ulrich fertig gestellt. EIN TAG UND EINE NACHT ist wieder abwechselnd aus der Perspektive einer weiblichen und einer männlichen Hauptfigur erzählt. Der Roman ist allerdings etwas moderner und urbaner als seine beiden melodramatischen Vorgänger und erscheint im Frühjahr 2015.
Wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg!