Zum zweiten Mal lud der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am 10. Juni zur Großen Berliner Büchernacht ein. Als
Veranstaltungsort wurde einmal mehr die Kulturbrauerei im Szenebezirk Prenzlauer Berg ausgewählt. Das 25.000 m2 große
ehemalige Brauereigelände steht seit 1974 unter Denkmalschutz und gehört zu den wenigen gut erhaltenen Berliner
Industriearchitekturdenkmälern. Mit den dort befindlichem Kino, Theatersälen und Diskotheken hat sich die Kulturbrauerei
zu einem echten Anziehungspunkt entwickelt und war somit ein perfekter Rahmen für eine laue Literatursommernacht.
Nach dem Erfolg der ersten Veranstaltung im letzten Jahr lag die Erwartungshaltung bei Publikum und Veranstalter relativ
hoch. Eine Erwartungshaltung, die sich absolut erfüllt hat, denn dem literaturinteressierten Publikum wurde ein
abwechslungsreiches Programm geboten. Die Besucher waren eingeladen, die vielfältige Welt der Literatur zu entdecken. Und
so fanden sich Autoren, Poeten, Hörbuchsprecher, Musiker und Schauspieler in der Kulturbrauerei ein, um in Lesungen,
Konzerten und Gesprächen das Publikum zu begeistern.
Im Kesselhaus, dem größten Veranstaltungsort der Kulturbrauerei, nahm die seit Jahren in Berlin lebende Amerikanerin Gayle
Tufts den Besucher mit auf eine Performance aus Liedern und Lesungen über das Wunder des Alltags. Erstmals präsentierte
die Amerikanerin auch Passagen aus ihrem neuen Werk "Some like it hot", dass im März nächsten Jahres erscheint.
Höhepunkt im Kesselhaus war der umjubelte Unplugged-Auftritt von Annett Louisan, die mit einem exklusiv für die Berliner
Büchernacht zusammengestellten Programm, bei schweißtreibenden Temperaturen bewies, dass sich die sympathische Sängerin
zu einer festen Größe im deutschen Musikbusiness entwickelt hat.
Im Maschinenhaus gab der Club der toten Dichter einen Vorgeschmack auf das neue, noch unveröffentliche Programm, in
dessen Mittelpunkt Verse von Rainer Maria Rilke stehen. Eigens für die Berliner Büchernacht konnten bekannte Köpfe wie
Katharina Franck (Sängerin der Popgruppe Rainbirds) oder Norbert Leisegang von der Gruppe Keimzeit gewonnen werden.
Der Frannz Club stand schon ganz im Zeichen der am nächsten Tag beginnenden Fußballweltmeisterschaft. Der ehemalige
Titanic-Chefredakteur Thomas Gsella bewies mit satirischer Prosa und humorvollen Gedichten, dass Fußball auch etwas
für Schöngeister ist. Anschließend brachten drei Mitglieder der Autorennationalmannschaft mit Texten und Liedern über
Fußball, Jugendtraining, eitle Schiedsrichter und Merkels Liebe zu Bastian Schweinsteiger das Publikum auf ihre Seite,
bevor DJ Noppe mit rhythmischen Beats ordentlich einheizte.
Aber auch auf dem Marktplatz wurde den Besuchern einiges geboten. Zahlreiche Autoren standen auf dem Blauen Sofa (bekannt
von den Buchmessen in Leipzig und Frankfurt) Rede und Antwort. Der israelische Autor Assaf Gafron stellte sein vielgelobtes
Werk "Ein schönes Attentat" vor, die Autorin Terézia Moran erklärte, warum sie viele Bücher nicht mehr zu Ende lesen kann
und der tschechische Autor Jan Faktor erzählte über seine Jugend in Prag und versuchte dem Publikum seinen Romantitel
"Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag" zu erläutern.
Ein weiterer Publikumsmagnet war die Textbox, die sich selbst das kleinste Massenmedium der Welt nennt. In dieser
Plexiglas-Box, in der die Temperaturen nahezu unerträglich wurden, steht ein Poet und spricht in ein Mikrofon. Zu hören
ist er jedoch nur für die Zuschauer, die einen Kopfhörer ergattern. Durch diese Nähe entsteht ein ganz besonderes
Verhältnis zwischen Sprecher und Autor, dass mit tiefgründigen, humorvollen oder lasziven Texten belohnt wurde. Höhepunkt
der Textbox war sicher der Auftritt von Hörbuchprofi Christian Brückner (der deutschen Stimme von Robert deNiro), der
in der Textbox Liebesgedichte aus sieben Jahrhunderten präsentierte.
Wer bei den sommerlichen Temperaturen einfach nur über den Marktplatz schlendern wollte, wurde ebenfalls nicht enttäuscht.
An zahlreichen Bücherständen der beteiligten Partnerbuchhandlungen konnten Werke der Büchernacht-Autoren erworben und
vor Ort signiert werden.
Auch das leibliche Wohl wurde mit einer reichhaltigen Auswahl an Speisen und Getränken nicht außer Acht gelassen. Wen es
trotz des tollen Sommerwetters in klimatisierte Räume zog bekam schließlich noch die Gelegenheit den Kinosaal der
Kulturbrauerei zu besuchen. Dort konnten sich Krimifans in einem Tripel-Feature alle drei Teile von Stieg Larssons
Millenium-Trilogie ("Verblendung", "Verdammnis" und "Vergebung") ansehen.
Schon mit der zweiten Auflage hat sich die Große Berliner Büchernacht einen festen Platz im Kulturkalender Berlins
erworben. Die Mischung aus Prominenz, Nachwuchsautoren und literaturinteressierten Besuchern ist aufgegangen und mit
der Kulturbrauerei hat man eine außergewöhnlich schöne Location gefunden. Was bleibt nach einer langen Nacht: Die Vorfreude
auf die Büchernacht im nächsten Jahr!