Vor vielen, vielen Jahren begann der Wilhelm Heyne Verlag mit der Herausgabe des
Heyne Magazins, unter der Leitung von Wolfgang Jeschke. Aus dem
vierteljährlichen interessanten Magazin wurde Jahre darauf das Science Fiction
Jahr, da sich nicht genügend Leser für ein vierteljährliches Magazin in
Taschenbuchform begeistern konnten. Nun erscheint bereits seit mehr als zehn
Jahren das Science Fiction Jahr mit fortlaufender Jahreszahl. Das SF Jahrbuch
ist für mich bereits eine liebgewordene Tradition geworden. Und wie immer ist
es in vielen Teilen sehr aktuell, in anderen wird auf die Vergangenheit ein
Rückblick genommen und über Themen berichtet, die in den letzten beiden Jahren
interessant und lesenswert waren oder die sogar kontrovers diskutiert wurden.
Hauptthema dieses Jahr ist die Future History, eine frei erfundene
Geschichtsschreibung der Zukunft. Nachdem das Thema bereits für letztes Jahr
angekündigt wurde, weil angeblich zu umfangreich, findet es sich nun hier.
Diese Art der SF ist nun nicht neu, eins der bekanntesten Beispiele ist
sicherlich Isaac Asimov mit seinem Psychohistoriker Hari Seldon. Bereits im Jahr
1979 erschien im Olde Hansen Verlag ein grossformatiger Bildband mit dem Titel
Kriege im All. Dort wurde eine fiktive Geschichte der ins All expandierenden
Menschen beschrieben. Eine Fülle von Bildern der unterschiedlichsten Künstler
wie Voss, Vallejo etc. lieferten die Bilder von Planeten und vor allem
Raumschiffen. Neben diesem Einzelband, erschienen wenig später weitere Bände
in Folge mit jeweils einem bestimmten Thema. Natürlich darf in diesem
Zusammenhang die Serie Perry Rhodan nicht fehlen, die Anfang Oktober im
Rosengarten Mannheim einen bescheidenen 50sten Geburtstag feierte. Genauso
bescheiden wie der Beitrag von Hartmut Kasper. Wesentlich lesenswerter waren die
Beiträge von John Clute und Stephen Baxter zu diesem Thema. Das Hauptthema wird
fortgeführt mit Beiträgen von Sascha Mamczak, Karsten Kruschel, Karlheinz
Steinmüller und anderen zu den Autoren Stapleton, Heinlein, Asimov und den
Gebrüdern Strugatzki, die das Hauptthema zwar gelungen betrachten, aber mit
insgesamt knapp 200 Seiten relativ kurz abgehandelt wurde. Soviel zum Thema
umfangreich.
Für die sich nicht besser zu beschäftigen wissenden Spieler am PC sind die
Computerspielrezensionen von gewichtigem Interesse, können jedoch nur als
veraltet gelten, da die entsprechenden Spielezeitschriften wesentlich aktueller
sind. Mit einem etwas anderen Konzept könnte die Spalte der SF als
Bibliographie genutzt werden, indem man mehr über die Spiele berichtet und
nicht von den Spielen und ihrem Spielspass.Der neue Weg ein Magazin zu
schreiben, liest und hört man auf den Seiten des Artikels von Uwe Neuhold:
Unter der Überschrift Wie klingt die Zukunft? schreibt er mehr als nur
ausführlich über Science Fiction-Filmmusik und andere zukünftige Ohrwürmer.
Der Beitrag ist mit zahlreichen Scanner-Codes versehen, die es ermöglichen
sollen, über ein Smartphone den entsprechenden Melodien zu lauschen. Ich
persönlich kann dazu nichts sagen, denn ich bin Handylos glücklich.
Der Inhalt, kurz gelistet:
Stephen Baxter: Von der Entstehung der Zukunft. Future Histories in Literatur
und Film
John Clute: Die helle und die dunkle Seite des amerikanischen Traums. Die
Geburt der Future History aus dem Geist der Pulps
Karsten Kruschel: Vorgebliche Landkarten des Künftigen. Von der Spiegelung der
Gegenwart in die ferne Zukunft
Sascha Mamczak: Der Weg aus Onkalo oder Plädoyer für die Future History
Karlheinz Steinmüller: Die Spinne in der Badewanne. Olaf Stapledons visionäre
Geschichte der Zukunft
Bartholomäus Figatowski: Am Puls der Menschheit. Ein Streifzug durch Robert A.
Heinleins Future History
Richard Wagner-Glass: Das größte Märchen aller Zeiten. Die
Roboter/Foundation-Saga von Isaac Asimov
Erik Simon: Der Mittag der Menschheitsgeschichte. Anmerkungen zum
Zukunftszyklus der Gebrüder Strugazki
Hartmut Kasper: Unser Mann. Perry Rhodan: Eine vorläufig unendliche Geschichte
der Zukunft
Gary K. Wolfe: Zurück auf Anfang. Der Weltuntergang in der Science Fiction...
und was danach geschieht
Uwe Kramm: "Wenn man die Grenzen der Menschlichkeit ausloten will, muss
man die Menschen eben zum Äußersten treiben!" Ein Gespräch mit Peter
Watts
Sascha Mamczak: "Es muss auch Autoren geben, die alles den Bach
runtergehen lassen!" Ein Gespräch mit Adam Roberts
David Hughes: Alienated. Wie aus dem SF-Meisterwerk "Alien" ein
Franchise wurde
Peter M. Gachler: Der weite Weg zum Publikum. Fritz Langs Großbaustelle
"Metropolis" - die Entwicklungsgeschichte eines Mythos
Christian Endres: Was kostet die Katze? Was eine Neil-Haiman-Kurzgeschichte und
die Zukunft der Filmfinanzierung miteinander zu tun haben könnten
Peter M. Gaschler: Flash Forward! Die ersten Turbo-SF-Serien des 21.
Jahrhunderts
Peter M. Gaschler: Nummer 6 gibt nicht auf. Die britische Kultserie "The
Prisoner"
Uwe Neuhold: Wie klingt die Zukunft? Eine Reise durch die Soundwelten der
SF-Filme
Hartmut Kasper: Aliens, Nazis, Wunderwaffen und Kim Wilde
Hartmut Kasper: Über superheldenhafte Gartenarbeit, eine Unterschrift von
Wonder Woman und Triumphzüge durch die Kulturgeschichte
Hartmut Kasper: Superhelden im Superformat
Christian Endres: Helden für alle. Die Superheldenserie "The 99" als
Brückenschlag zwischen westliche und muslimischer Kultur
Hartmut Kasper: "The Rocketeer" - Eine Hommage mit Raketentornister
Christian Endres: Tierische Steampunk-Thriller. Ein quasi-viktorianisches Genre
goes French in Bryan Talbots Graphic Novel "Grandville"
Hartmut Kasper: Die Hühnchen-Apokalypse. John Laymans und Rob Guillorys
bissiges Comic-Debüt "Chew"
Thomas Gläser: Hollywoods Benutzeroberfläche. Wie SF-Filme und Interface
Design sich gegenseitig beeinflussen
Julian Koschwitz: Schnittstelle Mensch. Spekulative Szenarien der SF und
Entwicklungen im Hybrid Design
Usch Kiausch: "Vielleicht treffen wir ja irgendwann auch mal
außerirdische Europäer..." Ein Gespräch mit Professor Harald Lesch
Uwe Neuhold: Quantenschwärme. Über die notwendige Revolution des
Menschenbildes
Peter Kempen und Wolfgang Neuhaus: Kommunion in der Unendlichkeit. Eine
kosmovirtueller Polylog
Rezensionen von:
Hartmut Kasper, Sascha Mamczak, Karsten Kruschel, Sven-Eric Wehmeyer, Franz
Rottensteiner, Hermann Urbanek, Gundula Sell, Christian Endres und andere mehr.
Zudem finden sich einige Interviews mit SF-Schaffenden, die gewohnten
Überblicke zur SF im Allgemeinen, auf der Leinwand und dem Bildschirm und
Monitor, SF fürs Ohr und die allseits bekannten Preisverleihungen.
Fazit
Der vorliegende Almanach kann schon gar nicht mehr als Taschenbuch bezeichnet
werden. Manch einer hat sich über den hohen Preis für ein Buch dieses Formats
beschwert. Im gleichen Zusammenhang kaufen sie aber gebundene Bücher die,
umgerechnet auf die Seitenzahl, das drei- bis vier-fache kosten würden. Man
kann einem Leser natürlich nicht alles recht machen. Vielen wird in der
modernen Zeit einiges recht antiquiert vorkommen und so wäre die Überarbeitung
verschiedener Bereiche und eine eventuell andere Möglichkeit der Präsentation
erstrebenswert. Ein Weg dazu zeigt der Musik-Artikel. Bei anderen Artikeln wie
etwa über die Future Historie sollten vielleicht neuere Autoren in den
Vordergrund rücken. Dafür wäre es sicherlich interessant, über neue
Strömungen, wie etwa den Steampunk zu berichten, oder aber die Welle der
Untergangsszenarien bei den Jugendbüchern. Alles in allem ist das Buch aber
immer noch lesenswert. In der Fülle wird nicht jeder Beitrag jedem Leser
gefallen. Für das Buch gilt aber weiterhin ein unbeschränktes Empfehlenswert.
Vorgeschlagen von erik schreiber
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veröffentlicht am 22. März 2013 2013-03-22 10:12:00