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Hans-Hermann Hoppe: Demokratie - Der Gott, der keiner ist

Demokratie - Der Gott, der keiner ist

von Hans-Hermann Hoppe
Verlag: Manuscriptum-Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Politik
ISBN-13 978-3-933497-86-4

Preis: 38,00 Euro bei Amazon.de [Stand: 22. November 2024]
Wer sich Bücher der Reihe "Sonderwege" von Manuscriptum zulegt, kann sicher sein, daß er Werke vor sich liegen hat, die den Rahmen des Gewohnten verlassen. So finden wir dort eine übersichtliche Ausgabe zu den Schriften des Philosophen einer Metaphysik der Entropie, Philipp Mainländer, unter dem Titel "Vom Verwesen der Welt und anderen Restposten" (2004), die bereits bei webcritics rezensiert wurde. Aber auch eine Schrift mit ebenso lockendem Titel führt dieser Verlag in derselben Reihe: "Demokratie - Der Gott, der keiner ist" (2003).

Friedrich Meinecke, Berliner Historiker, schrieb in seinem Werk "Die Idee der Staatsräson" über das Potential an Vernunft in einem Staate: "Die ‚Vernunft’ des Staates besteht also darin, sich selbst und seine Umwelt zu erkennen und aus dieser Erkenntnis die Maximen des Handelns zu schöpfen." (Meinecke, Die Idee der Staatsräson, Werke Band I, 1963, S. 1) Meinecke gibt damit nichts weiter zu bedenken, als daß der richtige Staatsmann sowohl die empirische Umgebung als auch sich selbst als Mensch umfassend dynamisch reflektiert und damit einer gesinnungsbedingten Erstarrung des Geistes entgegenwirkt. Mit dem vorliegenden Buch betritt Professor Hoppe genau diesen Weg: In seinem "opus maximum" absolviert er eine empirische Lageanalyse der Demokratien der Gegenwart und reflektiert zudem auf das Fundament des Menschseins, wenn er beschreibt, wie deshalb die beste Staatsform auszusehen habe. Nunmehr liegt dieses Buch in deutscher Sprache vor - in einer vortrefflichen Übersetzung von Robert Grözinger.

Hoppe verfolgt darin im Hinblick auf vermeintlich demokratietheoretische "Selbstverständlichkeiten" einen status-quo-kritischen Ansatz, der die Demokratien der Gegenwart detailliert in ihren Dysfunktionalitäten entlarvt. Es ist schlichtweg das Plädoyer des Deutschen und in den USA an der Universität von Las Vegas lehrenden Hoppe für eine "’natürliche Ordnung’", die dieses Buch ausmacht. Der Autor ist dem wertkonservativen Flügel der amerikanischen Libertarians, die in der Tradition der nationalökonomischen Schule Ludwig van Mises stehen, zuzuordnen. Seine Schrift betont im Sinne eines konstruktiven "Geschichtsrevisionismus", der zugleich eine Besinnung auf den resultierenden vernünftigen Staat im Sinne Meineckes darstellt, provokativ: "Deutschland ist kein freies Land." Anschließend prangert Hoppe den Mangel an Meinungsfreiheit in Deutschland im Bestreben an, "Demagogentum und (...) Egalitarismus" in den Demokratien des westlichen Europas endlich in den Fokus wissenschaftlicher Kritik zu stellen.

Damit zusammenhängend nämlich stellt er heraus, daß die prozeduralen Methoden, zu denen auch die sich "demokratisch" proklamierende Wahl gehört, keine inhaltlichen und strukturellen Probleme lösen können, weil sie gerade die Probleme der sozialen Umwelt zunehmend vergrößern und damit nicht wie gefordert immer wieder neu erfassen. Für Hoppe besteht die einzig effiziente und freiheitsbewahrende Alternative in einer solchen "natürlichen Ordnung", die geprägt ist von staatsfreier Marktwirtschaft und reduziertem parteipolitischen Demagogentum.

Und genau das macht er umfassend und überzeugend deutlich. Es geht ihm um eine Ordnung, in der "sämtliche Güter im Privateigentum einzelner Personen" sind und "Recht und Ordnung (...) in Eigenleistung" erbracht werden", nämlich in nachbarschaftlicher Kooperation. Man merkt sofort, daß der Autor, wäre er im geistigen Humus oder sollte man besser sagen im inzwischen politikwissenschaftlichen Wüstensand deutscher Nachkriegsdemokratie großgeworden, zu dergleichen zwar provokativen aber wissenschaftlich grundsätzlich gebotenen Gedanken nicht in der Lage gewesen wäre.

Hoppe verwirft mit seinem gesamten Konzept eine etatistische Sozialordnung und einen globalen Universalismus im Verständnis von Demokratie, wenn er zu bedenken gibt: "Zur Zeit des Ersten Weltkrieges wurde diese triumphale Ideologie eines expansiven demokratischen Republikanismus vom damaligen US-Präsidenten Wilson geradezu personifiziert." Deshalb, so kritisiert er, sei im Hinblick auf Deutschlands Lage nach den Weltkriegen "aufgrund des ideologischen Charakters des Krieges am Ende statt eines Kompromißfriedens nur totale Kapitulation, Demütigung und Bestrafung möglich" gewesen. Und aus heutiger Perspektive, angesichts globaler "demokratischer" Expansion, die sich gerade auf ideologische Feindbestimmung ("Schurke") gründet, mit diesem Feind aber nur sich selbst, das eigene Konstrukt von "Feind", meint, im Grunde Ping-Pong in Permanenz mit sich selbst spielt und die eigene Wirklichkeitswahrnehmung nicht zu transzendieren befähigt ist, - aus heutiger Perspektive gleichwohl ist Hoppe wohl tendenziell Recht zu geben. Eine Demokratie, die innenpolitisch und außenpolitisch von der kultivierten absoluten Demütigung des politischen Gegners zehrt, verdient diesen Namen nicht.

Hoppes Theorie wendet sich deshalb gerade auch gegen den moralisierenden Charakter des aktuell gewordenen amerikanischen Neokonservatismus. So sieht er einen gegenwärtigen Hang überbordender "Regierungsregulationen und erzwungener Integration" hervortreten, der "soziale, rassenbezogene (...) und kulturelle Spannungen und Feindseligkeiten" gerade in ‚westlichen’ Demokratien dramatisch zunehmen lasse. Egalisierungswahn und Humanismus entlarven sich im Effekt als ihr Gegenteil: Unfreiheit, Verantwortungslosigkeit, potentieller Imperialismus. Diese Kurzsichtigkeit nivelliert Kulturen und plurale Demokratiebilder. Der Mensch beabsichtigt Gutes und sät gerade damit fortwährend die Wüste der Unfreiheit. Als Beispiel erwähnt Hoppe die riesige distributive Umverteilungsmaschinerie moderner Staaten, um dann zu beweisen, daß gerade das, was zu seiner Reduzierung subventioniert wird, anschließend vergrößert wieder auftritt. Armut nimmt zu, wenn sie über Sozialleistungen subventioniert wird. Und genauso die Arbeitslosigkeit, uneheliche Kinder und alleinstehende Mütter, Scheidungen, Kriminalität und "politische Schmarotzerberufe" - auch der sogenannte "Rechtsextremismus". Sie alle vermehren sich nach Hoppe als indirekte Kostgänger des Staates, der sie eigentlich über finanzielle Gegenmittel zu reduzieren trachtet - und damit eben nicht an der Wurzel beginnt, sondern an der konjunkturellen Oberfläche kratzt.

Zugegeben: Vor diesem Hintergrund ist Hoppes moderner Alternative volkssouveräner Ordnung, die weniger dogmatisch und damit nachhaltiger wirtschaftend ist, einiges an Plausibilität abzugewinnen, dient sie doch auch dem sozialen und familiären Zusammenhalt in selbstbewußten Gemeinschaften. Dennoch: Seine Theorie steht und fällt am Ende damit, daß wir die Frage nach dem von Carl Schmitt beschworenen politischen, finanziellen oder sozialen Ausnahmezustand stellen. Sind dann private Gemeinschaften dazu in der Lage, Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten, ihr Gewaltmonopol zu bewahren, oder wird jeder zu dem egomanen Raubtier, das potentiell im Menschen steckt und das Hobbes grandios mit seinem Leviathan zu bändigen versuchte?
Fazit
Weder allen Konservativen noch allen Libertären wird zusagen, was Hoppe schreibt. Dennoch bietet er eine begrüßenswerte Diskussionsgrundlage für neue Sonderwege, deren Pluralität und tiefere Ursächlichkeit in der Menschheitsgeschichte gerade dazu führte, daß wir überhaupt von Geschichte reden können und nicht in der Monotonie universalistischer Glückseligkeitsutopien verharren, die sich selbst als Ideen bekanntlich sehr leicht als das eigentliche Problem entlarven können. Ideen müssen sich eben umfassend empirisch legitimieren und aus tieferem Ursprung und aus tieferer Notwendigkeit speisen. Und so ist am Ende doch wieder Meinecke zuzustimmen, der meinte: "Die Ideen, die das geschichtliche Leben leiten, stammen freilich gewiß nicht allein aus der geistigen Werkstatt der großen Denker, sondern haben einen breiteren und tieferen Ursprung." (Ebd., S. 24-25)
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Vorgeschlagen von Daniel Bigalke [Profil]
veröffentlicht am 01. Dezember 2007

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