Wer sich für märchenhaft-phantastische Literatur interessiert, sollte dieses
Werk unbedingt lesen. Der Junge Benvenuto hat einen geheimnisvollen Wald geerbt.
Sein Onkel, Oberst Proccolo, hat jedoch keinen Sinn für die Schönheit des
Waldes und möchte diesen abholzen lassen - um Gewinn aus dem verkauften Holz zu
erwirtschaften. Für das Ökosystem des Waldes - im Roman märchenhaft
personifiziert durch Waldgeister - hat er keinerlei Verständnis. Er plant
sogar, Benvenuto, der seinen Plänen im Wege steht, mit Hilfe des Windes zu
beseitigen. Da beschließen die Tiere des Waldes, dem Oberst seine Identität -
allegorisch dargestellt durch seinen Schatten - zu rauben; er ist damit für
immer als Verbrecher gebranntmarkt. Proccolo belauscht jedoch die Tiere und muß
zu seiner Überraschung erkennen, daß sie den Oberst nicht pauschal
verurteilen, sondern durchaus versuchen, seiner komplexen Persönlichkeit
gerecht zu werden. Dies Erlebnis führt zu seiner inneren Umkehr - sein Gewissen
ist stärker. Als Benvenuto durch einen Unfall am Silvesterabend beinah stirbt,
setzt Proccolo alles daran, ihn zu retten. Dies gelingt auch, allerdings um den
Preis des Lebens des Obersten, der langsam stirbt und in einem Gespräch mit dem
Wind seine innere Umkehr zugibt. Benvenuto, dessen "reine" Seele von
Anfang an die Erhaltung des Waldes mit seinen Tieren verlangte - seine
"kindliche" Seele versteht alle Tiere und Waldgeister - ist nun
unumstrittener Herr des Alten Waldes.
Ein sehr beeindruckender, nicht zu aufdringlich gezeichneter Kurzroman über die
Notwendigkeit der Existenz der Natur, eine Mahnung gegen rein materialistisches
Denken, welches nur auf vordergründiges "Wirtschaften" setzt ohne auf
die Gesamtzusammenhänge eines komplexen Systems Rücksicht zu nehmen. Ein Werk,
das zum Zeitpunkt seines Erscheinens, 1935, so aktuell war wie heute -
vielleicht wird es deshalb immer wieder aufgelegt. Ein Einwand, der mir
gegenüber immer wieder gemacht wird, die Wandlung des Obersten sei
unglaubwürdig, kann ich nicht teilen - die Szene der inneren Umkehr, die auch
ihm erst langsam bewußt wird nach dem "Gericht" durch die Tiere - ist
für mich durchaus glaubwürdig gestaltet. Dies ist ein Buch, welches sicherlich
zahlreiche Interpretationen finden wird. Es ist leicht zu lesen und fesselnd
geschrieben. Ich finde, es handelt sich um einen sehr philosophischen Roman -
mit viel Stoff zum Nachdenken.
Fazit
Hervorragend für Liebhaber märchenhafter Fantasy!
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 09. November 2002 2002-11-09 12:44:14