Wahre Kreativität äußert sich immer auf verschiedene Arten!
Mit seinen Wissenschaftsthrillern MEDUSA und REPTILIA hat sich Thomas Thiemeyer in den vergangenen Jahren eine große Fangemeinde
erschrieben. Jetzt liegt mit MAGMA ein neuer Thriller vor, der sich um eine abenteuerliche Expedition in die Tiefen des Pazifiks
dreht. Die Redaktion von Buchtips.net sprach mit dem in Stuttgart lebenden Autor über seinen Roman und einen Anruf aus Hollywood.
Michael Krause: Herr Thiemeyer, MAGMA schildert ein Szenario, an dem Hollywood seine wahre Freude hätte. Hat Roland Emmerich bei
Ihnen schon angerufen?
Thomas Thiemeyer: Leider nein. Vielleicht ist er des Deutschen nicht mehr so mächtig. Man verlernt seine
Muttersprache ja recht schnell. Aber im Ernst. Ich glaube, dass sich "Magma" nur bedingt für eine Verfilmung eignet. Wollte
man all das auf die Leinwand zaubern, müsste man über ein riesiges Budget verfügen. Ein solches Risiko gehen die
Studios nur bei einem Megabestseller wie Harry Potter oder Sakrileg ein.
MK: Wie ist die Idee entstanden, riesige Steinkugeln für seismologische Schwingungen verantwortlich zu machen?
TT: Ich habe vor längerer Zeit einen Artikel über Steinkugeln gefunden, die überall auf der Welt verstreut herumliegen
und über deren Herkunft man sich völlig uneinig ist. Diese Artefakte habe ich dann für eine Geschichte verwendet, die mir schon
lange am Herzen lag. Die Geschichte einer groß angelegten Prüfung, die die Frage aufwirft, ob wir Menschen überhaupt als
intelligente Spezies gelten dürfen. Einige Exemplare unserer Gattung können bekanntlich recht schlau werden, als Gemeinschaft
verhalten wir uns aber oft dümmer als die Polizei erlaubt. Gute Beispiele dafür sind die Überbevölkerung, Raubbau an der
Natur, Umweltverschmutzung oder die Verschwendung von Ressourcen. Und die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
MK: MAGMA überzeugt durch eine spannende Handlung und einer Vielzahl von wissenschaftlichen Fakten. Wie schwer war es,
diese in die Geschichte einzubauen?
TT: Überhaupt nicht schwer. Das Problem ist weniger, die Geschichte mit Hintergrundinformationen anzureichern, als
vielmehr, sich zu bremsen und der Handlung bzw. der Charakterisierung den Vortritt zu lassen. Viele Genre-Romane
leiden meines Erachtens an einer Überfrachtung mit Details. Der Autor hat jahrelang recherchiert und jetzt soll
der Leser das auch zur Kenntnis nehmen. Die Fülle an Fakten droht die menschliche Komponente im Buch zu ersticken.
Die Figuren treten in den Hintergrund und dienen nur noch dazu, zu einem bestimmten Zeitpunkt das richtige Stichwort
zu liefern. Ich persönlich halte nichts von solchen Geschichten. Da muss schon ein wirklicher Könner wie Frank Schätzing
ans Werk, um mich zu begeistern.
MK: Es fällt auf, dass die Figuren Ihrer Romane über jede Menge Ecken und Kanten verfügen. Orientieren Sie
sich bei der Entstehung an realen Persönlichkeiten oder sind alle Figuren fiktiv?
TT: Alle meine Figuren sind fiktiv, basieren aber auf realen Vorlagen. Sie sind Konglomerate aus verschiedenen
Personen. In Ella Jordan habe ich zum Beispiel einige Charaktermerkmale meiner Frau eingearbeitet, ohne dass ihr das
jetzt großartig aufgefallen wäre. Ich halte solche Vorlagen aber für zwingend notwendig um glaubwürdige Figuren
zu erschaffen. Genauso wenig wie man einen überzeugend wirkenden Menschen aus dem Gedächtnis zeichnen kann, gelingt
einem das bei einer lebendigen Romanfigur.
MK: Sie haben Geologie und Geografie studiert. War die Schriftstellerei schon immer ein Kindheitstraum?
TT: Ich hatte und habe viele Interessen. Schreiben, Malen, Musik machen. Schon als Kind haben mich diese
Ausdrucksmöglichkeiten gleichermaßen fasziniert und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich lehne mich
jetzt vermutlich sehr weit aus dem Fenster, aber ich behaupte mal, dass wahre Kreativität sich immer auf verschiedene
Arten äußert. Musiker, die gleichzeitig begabte Mathematiker sind. Schriftsteller, die mit der Malerei oder Zeichnerei
liebäugeln oder Architekten, die in sich die Leidenschaft zur Bildhauerei entdecken. Ich kenne viele solcher
Mehrfachbegabten und ich halte es für keinen Zufall. Kreativität sucht immer nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, sonst verarmt sie.
MK: Wie hat die Kreativität bei Ihnen angefangen?
TT: Ich habe mit Comics begonnen, der perfekten Synthese von Bild und Text.
MK: Haben Sie diese noch?
TT: Meine Eltern waren so geistesgegenwärtig, sie für spätere Zeiten aufzuheben, wofür ich ihnen sehr dankbar bin.
MK: Neben Ihrer Arbeit als Schriftsteller sind Sie noch als Illustrator tätig. Welche Aufgabe nimmt mehr Zeit in Anspruch?
TT: Es hält sich ziemlich die Waage. Je nach Auftragslage befinde ich mich entweder im Schreib- oder im Zeichen-Modus.
Von der naiven Vorstellung eines zweigeteilten Tages musste ich mich schnell verabschieden.
MK: Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus?
TT: Ich stehe gegen 6.00 Uhr mit meiner Frau auf. Gemeinsam bereiten wir dann die Kinder für den Schultag vor.
Ab 8:30 Uhr geht es bis ca. 12:30 Uhr an die Arbeit. Mittagspause bis etwa 14:00 Uhr und dann weiter bis ca. 18:00 Uhr.
Spätestens dann ist die Familie wieder zu Hause und verlangt volle Aufmerksamkeit.
MK: Was bedeutet Heimat für Sie?
TT: Ein Ort, an dem ich mich wohl fühle, umgeben von Menschen, die mir etwas bedeuten. Ein Ort, dessen
Vergangenheit mir dabei hilft, zu verstehen, wer ich bin.
MK: Wie entspannen Sie sich?
TT: Ich verbringe soviel Zeit wie möglich mit meiner Familie. Davon abgesehen lese ich gerne, treffe mich mit
Freunden und bin ein leidenschaftlicher Kinogänger.
MK: Welche Merkmale muss denn ein Film haben, damit Sie Ihn mögen?
TT: Die selben, wie ein guter Roman: Überzeugende Figuren, eine spannende, überraschende Handlung, eine Prise
Humor und Bilder, die einem den Atem rauben. Bestes Beispiel sind und bleiben natürlich Spielbergs "Indiana Jones"-Filme,
aber auch der neueste "James Bond" wusste zu überzeugen. Vermutlich mache ich mich jetzt unbeliebt, aber mir hat auch "Sakrileg"
gefallen. Vor dem schwierigen Hintergrund einen Weltbestseller zu verfilmen, haben Schauspieler und Regisseur eine
ausgezeichnete Arbeit geleistet.
MK: Welche Autoren haben Sie beeinflusst?
TT: Die großen Visionäre wie Jules Verne, H.G Wells oder Arthur Conan Doyle. Aber auch Dagobert Duck
hat seinen Anteil. Später kamen dann geniale Autoren wie Stefan Zweig, Kurt Vonnegut oder Michael Crichton hinzu,
dessen neuester Roman "Next" übrigens auch gerade auf meinem Nachttisch liegt.
MK: Nicht zuletzt auch Ihre Erfolge haben dazu beigetragen, die deutsche Verlagswelt für heimische Thrillerautoren
zu öffnen. Wie schwer hatten Sie es, Ihren ersten Roman unterzubringen?
TT: Dank meines wunderbaren Agenten war es nicht so schwer, wie man vermuten könnte. Aber man darf nicht vergessen,
dass ich vorher einige Jahre ohne Vertrag, ohne Geld und fast ohne Feedback geschrieben habe. Dies waren sicher harte
Lehrjahre. Wer aber wirklich schreiben will und bereit ist, hart an sich zu arbeiten, der wird es eines Tages schaffen.
MK: Ein paar letzte Worte zum nächsten Projekt...
TT: Es wird eine Fortsetzung zu MEDUSA gaben. Ich habe das lange vor mir hergeschoben, weil
ich eigentlich kein Fan von Fortsetzungen bin. Aber die Idee zu diesem Roman ist einfach zu schön, um sie ungenutzt
verstreichen zu lassen. Die Leser können sich also auf ein Wiedersehen mit Hannah Peters und Chris Carter freuen.