Dem Amerikaner John Katzenbach gelang mit den beiden Thrillern "Die Anstalt" und "Der Patient" in Deutschland ein erfolgreiches Comeback. Die Redaktion von Buchtips.net hatte Gelegenheit mit dem Autor zu sprechen.
Michael Krause: Mr. Katzenbach, gab es in Ihrem Leben jemanden, an dem Sie sich auf ebenso perfide Weise rächen wollten, wie Rumpelstilzchen an Dr. Frederik Starks?
John Katzenbach: Gott sei dank hatte ich bisher nicht das Bedürfnis, mich an jemanden rächen zu wollen. Jedoch ist der große Vorteil meines Berufes, dass ich diese Gedanken zumindest auf dem Papier ausleben kann.
MK: Sie erzählen "Der Patient" konsequent aus Sicht Ihrer Hauptfigur. Gab es Überlegungen Ihrerseits, die Geschichte mit einem Ich-Erzähler zu erzählen?
JK: Die Wahl der richtigen Erzählperspektive ist eine der ersten Entscheidungen, die ein Autor treffen muss – und eine der schwierigsten. Ich habe meine ersten Romane mit einem Ich-Erzähler besetzt. Bei "Der Patient" stand von Anfang an fest, dass ich die Geschichte in der dritten Person erzählen wollte. Die falsche Wahl bei der Erzählperspektive kann die gesamte Geschichte kaputt machen. Im Fall von Dr. Starks habe ich wohl die richtige Entscheidung getroffen.
MK: Dr. Frederik Starks erlebt im Verlauf der Geschichte eine ungeheure Wandlung seiner Persönlichkeit. War dies von Beginn an so geplant?
JK: Die Verwandlung von Frederik Starks war eine der aufregendsten Dinge, die ich bisher geschrieben habe und war von Anfang an so geplant. Für mich liegt der Reiz dieser Geschichte in der Reise, die Starks unternehmen muss, um an seine persönlichen Grenzen zu kommen. Eine Reise, auf der er Dinge an sich entdeckt, die er nicht für möglich gehalten hätte. Ihn an diesen Punkt zu bringen, war ein langer Prozess, der auch für mich überaus reizvoll gewesen ist.
MK: Sie beschreiben in Ihrem Roman die Arbeit eines Psychiaters sehr genau. Wie viel Spaß macht Ihnen die Recherche?
JK: Recherchieren ist immer eine spannende Gratwanderung zwischen entdecken und lernen. Dabei darf man nie das Gleichgewicht zwischen der Geschichte und der Plausibilität aus den Augen verlieren. Der Leser will schließlich glauben, dass die Dinge, die ich beschreibe möglich sind.
MK: Vor Ihrer Schriftstellerkarriere haben Sie als Gerichtsreporter in Florida gearbeitet. Wie nahe sind Sie in dieser Zeit den menschlichen Abgründen gekommen?
JK: Die Arbeit für die Miami News und später für den Miami Herald haben mich mit einer Vielzahl von Informationen versorgt. Miami ist eine faszinierende Stadt voller skurriler Ereignisse und sonderbarer Figuren. Ich wurde Zeuge der furchtbarsten Taten und es kam mir mehrfach so vor, als würde ich diese Taten von der Kante des emotionalen Abgrunds beobachten.
MK: Dr. Starks muss sich im Verlauf des Romans mit den Raffinessen des Internets vertraut machen. Wie beeinflusst das Online sein Ihren Alltag?
JK: Ich musste viel über die Benutzung des Internets lernen. Meine Kinder sind da wesentlich versierter. Inzwischen habe ich die vielfältigen Möglichkeiten kennen gelernt und bin immer wieder überrascht. Als ich für "Der Patient" recherchierte, konnte ich mit Hilfe eines befreundeten FBI-Agenten sehen, wie einfach es ist, sich über das Internet eine neue Identität zu erschaffen.
MK: In den letzten Jahren war es in Deutschland relativ ruhig um Sie. In wie weit hat Sie der Erfolg der Romane "Die Anstalt und "Der Patient" überrascht?
JK: Natürlich habe ich mich sehr darüber gefreut. Es ist immer mein Eindruck gewesen, dass die deutschen Leser subtile Dramen bevorzugen. Ich hoffe, dass ich dies zumindest in kleinem Maße liefern kann.
MK: Ihr Roman "Im Sumpf des Verbrechens" wurde erfolgreich mit Sean Connery verfilmt. Was empfanden Sie, als Sie Ihr Werk auf der Leinwand sahen?
JK: Die Verfilmung eines eigenen Romans ist immer ein zweischneidiges Schwert. Natürlich ist man Stolz, aber leider kann der Film nicht immer die Atmosphäre wiedergeben. Und dies kann schon sehr enttäuschend sein. Ich bin aber optimistisch, dass dies bei einer Verfilmung von "Der Patient" gelingt. Zumindest deuten die Planungen auf eine Verfilmung hin.
MK: Wo stammt Ihr ungewöhnlicher Nachname Katzenbach her?
JK: Meine Familie stammt ursprünglich aus Deutschland. Katzenbach ist eine kleine Stadt im Norden. Jedoch wanderte meine Familie schon vor dem Bürgerkrieg in die USA aus.
MK: Letzte Frage, wie teilen Sie sich beim Schreiben Ihren Tag ein?
JK: Zunächst ist das Leben eines Schriftstellers bei weitem nicht so aufregend, wie die Leute glauben, da die meiste Aufregung in der Phantasie des Autors stattfindet. Ich stehe morgens auf, füttere die Hunde und lese die Zeitung. Bis zum Mittagessen arbeite ich dann an meinem Roman. Anschließend laufe ich 5 oder 6 Meilen oder gehe ins Fitness-Center, bevor ich mich an die Überarbeitung des Textes mache.
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